Tessin

Tessin
Tes|sin, das; -s:
Schweizer Kanton.

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I
Tessin,
 
1) Stadt im Landkreis Bad Doberan, Mecklenburg-Vorpommern, 17 m über dem Meeresspiegel, am Oberlauf der Recknitz, 4 600 Einwohner
 
 
Um eine 1253 bezeugte deutsche Burg entstanden, 1343 erstmals als Stadt bezeichnet.
 
 2) das, italienisch Ticino [ti'tʃiːno], Kanton in der Südschweiz, 2 812 km2, (1999) 308 500 Einwohner (davon 26 % Ausländer), rd. 84 % der Bevölkerung sprechen Italienisch, 12 % Deutsch. Hauptstadt ist Bellinzona.
 
 
Nach der Verfassung vom 14. 12. 1997 (in Kraft seit 1. 1. 1998) übt der Große Rat (Gran Consiglio) mit 90 Mitgliedern die Gesetzgebung aus. Exekutive ist der Staatsrat (Consiglio di Stato) mit fünf Mitgliedern. Beide Institutionen werden vom Volk (Frauenstimmrecht seit 1969) im Proporzsystem auf vier Jahre gewählt. Eine Initiative zur Änderung der Verfassung bedarf 10 000, eine Gesetzesinitiative 7 000 Unterschriften. 7 000 Stimmberechtigte können gegen ein Gesetz, ein Dekret oder unter Umständen einen Finanzbeschluss ein Referendum initiieren; Verfassungsänderungen unterliegen dem obligatorischen Referendum. Die neue Verfassung verankert soziale Rechte und Zielsetzungen. - Amtssprache ist Italienisch.
 
 
Es entstand 1803 (endgültige Farbfestlegung 1930) und ist in die Kantonsfarben Rot und Blau, die die beiden ehemaligen Hauptparteien Liberale (Rot) und Konservative (Blau) repräsentieren, gespalten.
 
Landesnatur:
 
Das Tessin umfasst (in seinem nördlichen Teil) südlich der Gotthardgruppe die Tessiner Alpen mit den südorientierten Tälern des Tessin, des Brenno, der Maggia und der Verzasca, die Magadinoebene und das Nordende des Lago Maggiore, die zusammen das Sopraceneri bilden. Der kleinere, südlich gelegene Teil (Sottoceneri), der das Vedeggiotal, das Luganese (Gebiet um den Luganer See) und das Mendrisiotto umfasst, bildet einen landschaftlichen Übergang zur Poebene.
 
Das Klima ist besonders im Südteil dank der geschützten Lage am Alpensüdrand schon mediterran geprägt (Anbau von Tabak und Gemüse, Weinbau); im Gebiet der Tessiner Alpen dominiert alpines, feuchtes Klima (vorherrschende Almwirtschaft).
 
 
Neunjährige Schulpflicht (6.-15. Lebensjahr): fünf Jahre Primarschule (scuola elementare), vier Jahre Sekundarschule (scuola media), aufgeteilt in eine Beobachtungsstufe (ciclo d'osservazione, 6. und 7. Schuljahr) und eine Orientierungsstufe (ciclo d'orientamento, 8. und 9. Schuljahr), Letztere mit differenzierten Kursen (Grund- und Leistungskurse) in den Fächern Mathematik, Französisch und Deutsch. Vierjährig ist das anschließende Gymnasium (liceo) mit ausgebauten Wahlmöglichkeiten. Berufsbildung: Handelsmaturitätsschule vier Jahre, Diplom- und Handelsmittelschule je drei Jahre, Ganztagsberufsschule. Weiterhin: Fachhochschule drei Jahre, Universität vier bis fünf Jahre, Lehrerbildungsanstalt zwei Jahre.
 
 
Der Kanton wird durch eine starke Agglomerationsbildung, besonders mit Lugano als Banken- und Dienstleistungszentrum, sowie durch seine Bedeutung als Fremdenverkehrsgebiet geprägt. Die starke Abwanderung aus den Bergregionen (nach dem Zweiten Weltkrieg) konnte seit Mitte der 1970er-Jahre durch den Ausbau des Fremdenverkehrs etwas aufgehalten werden. Von den Beschäftigten (Ausländeranteil: rd. 41 %) arbeiten (1995) 3 % in der Land- und Forstwirtschaft, 31 % im industriellen Sektor und 66 % im Dienstleistungsbereich. Mit einem Volkseinkommen je Einwohner von (1995) 39 921 sfr liegt das Tessin an 15. Stelle unter den 26 Kantonen (Schweiz: 45 276 sfr).
 
Nur rd. 442 km2 werden (1994) landwirtschaftlich genutzt (Schweiz: 15 812 km2). Während im nördlichen Sopraceneri Almwirtschaft vorherrscht, dominieren am Lago Maggiore, im unteren Tessintal sowie im Sottoceneri Getreide- (v. a. Mais), Gemüse-, Tabak- und Weinbau. - Im Tessin hat sich ein industrieller Strukturwandel von der einseitigen Ausrichtung auf arbeitsintensive Branchen mit geringer Wertschöpfung auf anspruchsvollere Zweige vollzogen. Vertreten sind Textil- und Nahrungsmittelindustrie, Tabakverarbeitung, Maschinenbau, Pharmaindustrie, Herstellung von elektronischen Geräten und Präzisionsapparaten. Die Industriestandorte befinden sich v. a. in den Agglomerationen von Lugano und Locarno; das größte zusammenhängende Industrieareal liegt bei Bodio (u. a. Stahl- und Walzwerk). Das große Wasserkraftpotenzial wird in 24 Elektrizitätswerken mit einer Leistung von 1 415,5 MW genutzt. Der Dienstleistungssektor expandierte v. a. in den Bereichen Banken und Versicherungen. - Zentren des Fremdenverkehrs sind Lugano, Locarno und Ascona. Die Anzahl der Übernachtungen belief sich (1996) auf 2,6 Mio., wobei der Sommertourismus überwiegt.
 
 
Der bereits in der Jungsteinzeit besiedelte (Funde von Castel Grande in Bellinzona), später von Rätern und Lepontern bewohnte Tessiner Raum, dessen südlicher Teil seit 196 v. Chr. unter römischer Herrschaft stand, wurde um 15 v. Chr. unter Augustus von den Römern unterworfen. Es gehörte zur römischen Provinz Gallia cisalpina. In der Völkerwanderungszeit überzogen nacheinander Ostgoten, Langobarden und Franken das Land mit ihrer Herrschaft, bis sich die deutschen Könige durchsetzten. Im Heiligen Römischen Reich gehörte das Gebiet zum Herzogtum Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die zwölf alten Orte der Eidgenossen abrangen. Sie verwalteten das in acht Landvogteien (Ennetbergische Vogteien) aufgeteilte Gebiet als gemeinsames Untertanenland. Das Untertanenverhältnis endete im Februar 1798; die neue Republik schloss sich der »Helvetischen Republik« an. Durch die Mediationsakte entstand 1803 der selbstständige Kanton. Die Verfassung von 1814 wurde 1830 durch eine liberale und 1892 durch eine demokratische abgelöst. Ende des 20. Jahrhunderts begann die stärkere europäische Einbindung (Arge Alpen-Adria).
 
 
 
G. Rossi u. E. Pometta: Gesch. des Kantons T. (a. d. Ital., Bern 1944);
 G. Lepori u. V. Vicari: Das T. Seine Landschaft u. seine Gesch. (a. d. Ital., Genf 1966);
 G. Loose u. R. Voigt: T. Kunst u. Landschaft zw. Gotthard u. Campagna Adorna (1986);
 
Ticino medievale. Storia di una terra lombarda, Beitr. v. G. Vismara u. a. (Locarno 21990).
 
 3) der, italienisch Ticino [ti'tʃiːno], linker Nebenfluss des Po, 248 km lang, entspringt am Nufenenpass in der Gotthardgruppe (Schweiz), durchfließt das Val Bedretto, das Valle Leventina, die Riviera und die Magadinoebene, mündet bei Magadino (das Tessindelta, eine Auenlandschaft, ist Naturdenkmal von nationaler Bedeutung) in den Lago Maggiore, den er bei Sesto Calende (Italien) wieder verlässt, tritt dann in die Poebene ein (hier v. a. zu Bewässerungszwecken genutzt) und mündet südöstlich von Pavia; wichtigste Zuflüsse sind der Brenno, die Moësa und die Maggia.
 
II
Tessin,
 
1) Nicodemus, der Ältere, schwedischer Baumeister, * Stralsund 7. 12. 1615, ✝ Stockholm 24. 5. 1681, Vater von 2); ab 1639 in Schweden, bereiste 1651-53 Italien, Frankreich und Holland. Tessin prägte die Form des schwedischen Landschlosses im Übergangsstil von der Renaissance zum Barock. Seine Hauptwerke sind Schloss Drottningholm (1662 begonnen) und der Dom in Kalmar (1659 begonnen).
 
 2) Nicodemus, der Jüngere, Graf (seit 1714), schwedischer Baumeister, * Nyköping 23. 5. 1654, ✝ Stockholm 10. 4. 1728, Sohn von 1); Hof- und Stadtbaumeister in Stockholm und Kanzler der Universität Lund. Nach langen Studienaufenthalten in Paris und Rom vollzog er den Anschluss der schwedischen Architektur an den römischen, in der Raumaufteilung an den französischen Hochbarock. Sein bedeutendstes Werk ist der Umbau des Schlosses in Stockholm (1697 ff.). Sein monumentaler Eklektizismus verbindet nordische mit Elementen der Architektur G. L. Berninis, J. Hardouin-Mansarts und A. Schlüters. S. widmete sich auch der Gartenbaukunst.
 
 
B. R. Kommer: N. T. d. J. u. das Stockholmer Schloß (1974).
 

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Tes|sin, das; -s: Kanton der Schweiz.

Universal-Lexikon. 2012.

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